“Eine studentische Erwerbstätigkeit bei internationalen Studierenden führt nicht zur Verschlechterung der Studiennoten”
Theresa Thies ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Bayerischen Staatsinstitut für Hochschulforschung und Hochschulplanung (IHF) in München. Im Rahmen ihrer Promotion beschäftigt sie sich mit dem Studienerfolg internationaler Studierender in Deutschland. Im Interview berichtet sie von den Befunden ihrer aktuellen Analyse zum Zusammenhang von studentischer Erwerbstätigkeit und Studienerfolg bei internationalen Studierenden. Dabei zeigt sich: Bis zu einem Umfang von ca. elf Stunden pro Woche scheint sich solch eine Tätigkeit nicht negativ auf die Studiennoten und den Studienfortschritt auszuwirken.
Frau Thies, Sie haben sich in Ihrer aktuellen Analyse mit dem Zusammenhang von studentischer Erwerbstätigkeit und Studienerfolg bei internationalen Studierenden in Deutschland beschäftigt. Warum halten Sie speziell diesen Zusammenhang für relevant?
Viele internationale Studierende in Deutschland, die auch einen Abschluss hier anstreben, berichten bei Studienbeginn von finanziellen Problemen. Sie haben zum Beispiel Schwierigkeiten, einen geeigneten Nebenjob zu finden und sich das Leben in Deutschland zu finanzieren. Probleme mit der Studienfinanzierung sind auch der am zweithäufigsten genannte Grund für den Studienabbruch, wie wir in einer früheren Studie zeigen konnten. Gleichzeitig werden im Laufe des Studiums immer mehr internationale Studierende erwerbstätig. Für viele internationale Studierende wird diese Erwerbstätigkeit auch im Studienverlauf zur Hauptfinanzierungsquelle. Es wäre also fatal, wenn dies gravierende Auswirkungen auf den Studienerfolg hätte. Daher wollte ich die Auswirkungen von studentischer Erwerbstätigkeit auf den Studienerfolg genauer untersuchen.
Wie unterscheiden sich internationale Studierende bezüglich ihrer Erwerbstätigkeit während des Studiums von deutschen Studierenden und wie beeinflusst das ihren Studienfortschritt und ihre akademischen Leistungen?
Beiden Studierendengruppen gemeinsam ist, dass sie ihr Studium häufig mit Hilfe ihrer Eltern und über Erwerbstätigkeit finanzieren. Bei anderen Finanzierungsquellen gibt es aber deutliche Unterschiede. So haben internationale Studierende – im Gegensatz zu deutschen Studierenden – selten Zugang zu BAföG. Nur einzelne Gruppen, wie beispielweise anerkannte Flüchtlinge, können BAföG beantragen. Internationale Studierende finanzieren sich deshalb häufig über eigene Ersparnisse oder Stipendien. Gleichzeitig wenden internationale Studierende mehr Zeit für Lehrveranstaltungen und deren Vor- und Nachbereitung auf als deutsche Studierende. Ein möglicher Grund dafür ist, dass sie die Unterrichtssprache noch nicht so sicher beherrschen. Dies führt zu Schwierigkeiten in der Vereinbarkeit von Studium und Erwerbstätigkeit.
Erfreulicherweise zeigt meine Untersuchung, dass eine studentische Erwerbstätigkeit bei internationalen Studierenden nicht zu einer Verschlechterung der Studiennoten führt. Sowohl die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit als auch die Erhöhung des Beschäftigungsumfangs verringern zwar den Anteil der erreichten Leistungspunkte pro Semester. Jedoch wirken sich nur vergleichsweise hohe Beschäftigungsumfänge, das heißt ab etwa elf bis fünfzehn Stunden pro Woche, negativ auf den Studienfortschritt aus. Eine Verzögerung ihres Studienfortschritts durch höhere Erwerbsintensitäten erfahren insbesondere MINT-Studierende, Masterstudierende und Studierende aus Drittländern, also Nicht-EU- bzw. Nicht-EFTA-Ländern. Ich vermute, dass insbesondere Masterstudierende und Studierende aus Drittländern die Arbeitsmarktkontakte und Arbeitserfahrungen im Hinblick auf einen gewünschten zeitnahen Erwerbseintritt in Deutschland wertschätzen. Die Studienzeitverzögerung wird also vermutlich bewusst in Kauf genommen. Insbesondere MINT-Studierende wiederum könnten Schwierigkeiten haben, das hohe Lern- und Prüfungspensum mit der Erwerbstätigkeit zu vereinbaren.
Die Ergebnisse zeigen darüber hinaus, dass internationale Bachelor- und Masterstudierende, die im Studienverlauf häufiger oder für eine längere Zeit fachnah beschäftigt sind, im Durchschnitt bessere Semesternoten haben. Die Suche nach einem Job mit Studienbezug ist gerade für internationale Studierende ohne großes soziales Netzwerk in Deutschland eine nicht zu unterschätzende Herausforderung, sodass hierbei vermutlich nur die leistungsstärksten Studierenden erfolgreich sind. In Bezug auf den Zugang zu einer fachnahen studentischen Erwerbstätigkeit kommt es also zu einem sogenannten Selektionseffekt.
Welche Schlussfolgerungen ergeben sich aus Ihrer Sicht hieraus für die Hochschulpraxis?
Im Prinzip zeigen die Ergebnisse, dass ein Erwerbsumfang im geringen Maße den Studienfortschritt und die Studienleistung auch bei internationalen Studierenden in Deutschland nicht beeinträchtigen. Das ist erfreulich, da viele internationale Studierende neben dem Studium arbeiten müssen, um sich finanzieren zu können. Daher finde ich Job-Börsen an den Hochschulen, in denen gerade auch fachnahe Jobs angeboten werden, eine nützliche Maßnahme. Sie können internationalen Studierenden den Einstieg in eine studienbezogene Erwerbstätigkeit erleichtern. Und eine fachnahe Erwerbstätigkeit kann natürlich sehr hilfreich für den späteren Übergang in den Arbeitsmarkt sein. Trotzdem sollten die Studierenden darauf achten, dass das Studium neben der Erwerbstätigkeit nicht vernachlässigt wird, d.h. dass trotz der Erwerbstätigkeit noch genug Zeit für das Studium bleibt. Hier können die Beratungseinrichtungen an den Hochschulen auch unterstützend wirken, indem sie internationale Studierende darauf hinweisen, dass sich ein Umfang von über elf Stunden pro Woche für einen studentischen Nebenjob in den meisten Fällen zunehmend negativ auf den Studienfortschritt auswirkt.
Zur Person
Theresa Thies ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Bayerischen Staatsinstitut für Hochschulforschung und Hochschulplanung in München. Sie hat in Leipzig Kommunikations- und Medienwissenschaften (B.A.) und Soziologie (B.A.) studiert. 2018 schloss sie ihr Masterstudium in Soziologie an der Universität Mannheim ab. Im Rahmen des soziologischen Teilprojekts InterMINT sowie des Vorgängerprojekts SeSaBa promoviert sie zum Studienerfolg internationaler Studierender in Deutschland.
Jan Kercher ist seit 2013 beim DAAD tätig und Projektleiter für die jährliche Publikation Wissenschaft weltoffen. Darüber hinaus ist er im DAAD für verschiedene andere Projekte zum Austausch zwischen Hochschulforschung und Hochschulpraxis sowie die Durchführung von Studien- und Datenerhebungsprojekten zur akademischen Mobilität und Internationalisierung der Hochschulen zuständig.