6. September 2024

„Die Idee, Ressourcen im Bereich Career Services zu bündeln, treibt uns schon eine Weile um“

Fünf Rhein-Main-Hochschulen – die Frankfurt University of Applied Sciences, die Goethe-Universität Frankfurt am Main, die Hochschule Darmstadt, die Hochschule RheinMain und die Technische Universität Darmstadt – haben sich zusammengeschlossen, um den International Career Service Rhein-Main (ICS RM) zu gründen. Mithilfe von Fördermitteln des Europäischen Sozialfonds und Mitteln des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst (HMWK) sollen Angebote der Berufsorientierung und des Berufseinstiegs für Studierende mit Zuwanderungsgeschichte aller Partnerhochschulen gebündelt werden. Der ICS RM bietet eine Vielzahl von Services an, einschließlich Bewerbungsberatung, Berufseinstiegsworkshops, Einblicke in Unternehmenskulturen sowie Einführungen zu den Themen Gründung und soziales Unternehmertum. Im Interview erläutern die Projektmitwirkenden Inken Bergenthun, Jens Blank und Stefanie Giordano, welche Ziele sie damit verfolgen und welches Know-how sie bereits an andere Hochschulen weitergeben können.

Inken Bergenthun ist Teamleiterin für den Aufbau des Career Services an der TU Darmstadt. (Bildquelle: Natalya Barthel)
Jens Blank hat die Gesamtleitung des ICSRM. (Bildquelle: Oliver Schaffer)
Stefanie Giordano ist Koordinatorin für den International Career Service Rhein-Main an der Frankfurt University of Applied Sciences. (Bildquelle: Hochschule Worms)

Können Sie kurz erläutern, was der Anlass für die Einrichtung des International Career Service Rhein-Main war und welche Ziele damit genau verfolgt werden?

Bergenthun: Die Idee, Ressourcen im Bereich Career Services zu bündeln, um gezielt Studierende mit internationaler oder interkultureller Biografie beim Übergang ins Arbeitsleben zu begleiten, treibt die südhessischen Hochschulen schon eine Weile um. Für diese Studierendengruppen wünschen wir uns einen gleichberechtigten Zugang zum Arbeitsmarkt und um Ressourcen zu bündeln und Synergien zu nutzen, haben wir uns darauf verständigt, unsere Angebote in einem „International Career Service Rhein-Main“ (ICSRM) zusammenzufassen. Mit diesem starken Verbund können wir die Unterstützungsangebote effektiver gestalten. Wir erhalten mehr Einfluss und die nötige Sichtbarkeit bei Verbänden und Unternehmen, um Kooperationen anzustoßen. Zudem können wir unsere Angebote erweitern und Aufgaben nach Know-how und Kompetenz auf geeignete Schultern verteilen.

Blank: Ein erster Testlauf für unseren Verbund war die Matching-Week. Diese Online-Karrierewoche bietet eine Plattform, auf der Arbeitgeber und potenzielle Bewerberinnen und Bewerber in einem digitalen Rahmen zusammenkommen. Auf Anhieb haben wir über 20 Unternehmen dafür gewinnen können und sind auch bei den Studierenden auf positive Resonanz gestoßen, was uns in diesem Ansatz bestätigt hat. Parallel dazu bekamen wir durch eine Förderung über den Europäischen Sozialfonds und durch zusätzliche Mittel des HMWK die große Chance, unseren Verbund auszubauen. So können wir unsere Studierenden mit hochwertigen Informations- und Vernetzungsangeboten beim Übergang in den Beruf und bei Gründungsvorhaben noch gezielter unterstützen und die Kooperation auf regionaler Ebene vorantreiben. Langfristig wollen wir durch diese koordinierten Maßnahmen vielfältige Karrieremöglichkeiten unsere Zielgruppe schaffen.

Was verstehen Sie unter dem Begriff “International Career Service” und wie kann man sich die damit verbundenen Maßnahmen konkret vorstellen? Auf welche Zielgruppen zielt das Projekt ab?

Bergenthun: Wir erweitern die bereits existierenden klassischen Career Service-Angebote im ICSRM und richten uns dabei nach einem ressourcenorientierten Ansatz. Das heißt, wir stärken insbesondere Studierende mit Zuwanderungsgeschichte in ihrer Selbstwirksamkeit und regen neben der Vermittlung von arbeitsmarktbezogenem Wissen die Auseinandersetzung mit sich selbst und den eigenen Zielen an. Wir wenden uns gezielt an Studierende, die beim Übergang ins Berufsleben mit besonderen Herausforderungen konfrontiert sind, weil sie die Spielregeln des Arbeitsmarkts nicht kennen und nur über schwache soziale Netzwerke in Bezug auf akademische oder berufliche Kontakte verfügen. Dies betrifft vor allem internationale Studierende und Studierende mit Fluchthintergrund, aber auch Studierende aus Deutschland mit Migrationsgeschichte.

Giordano: Aus eigener Erfahrung, aus Studien und einer Bedarfsanalyse des Instituts für Wirtschaft, Arbeit und Kultur (IWAK) der Goethe-Universität wissen wir, dass Studierende mit einer Zuwanderungsgeschichte in Deutschland beim Start ins Berufsleben auf Hürden stoßen. Häufig gelingt es ihnen nicht, berufliche Positionen einzunehmen, die ihrem Abschluss entsprechen. Alle Hochschulen im Verbund bieten über den ICSRM Module für ihre Studierenden und Absolventinnen und Absolventen an. Die Angebote reichen von speziellen Workshops über Podcasts bis hin zu Coaching und Mentoring-Programmen. Auf diesem Weg wollen wir arbeitsmarktbezogenes Wissen und „Future Skills“ vermitteln, erste berufliche Kontakte anstoßen, bei der Entwicklung von Bewerbungsstrategien und der Karriereplanung unterstützen und eine Schnittstelle zum regionalen Arbeitsmarkt und Gründungsökosystem bieten.

Können Sie schon auf Erfolge verweisen? Und gibt es vielleicht schon jetzt bestimmte Lehren und Erfahrungen aus dem Projekt, die Sie anderen Hochschulen, die vielleicht ähnliche ICS-Verbundprojekte planen, mit auf den Weg geben können?

Blank: Eine bedeutende Erfahrung für mich ist, dass die Zusammenarbeit mit den fünf Partnerhochschulen im Rhein-Main-Gebiet zwar anstrengend ist, sich die Anstrengung jedoch als äußerst lohnend erwiesen hat. Wir entwickeln gemeinsame Standards und Verfahren, die den gesamten Prozess des Übergangs vom Studium ins Berufsleben effizienter, wirkungsvoller und nachhaltiger machen. Wichtig ist in jedem Fall, sich starke Partner mit ins Boot zu holen und Brücken zu schlagen. An unserem Runden Tisch unter der Leitung des IWAK sitzen wir mit zahlreichen Expertinnen und Experten aus Verbänden und Organisationen des Arbeitsmarktes sowie des Gründungsökosystems zusammen und besprechen, wie wir uns besser verzahnen können. Die Hochschulleitungen und ein strategischer Beirat begleiten das Projekt. Wir streben an, erfolgreiche Module auch nach dem Ablauf der Förderphase weiterzuführen, was zum Beispiel über eine Kommerzialisierung bestimmter Angebote gelingen könnte. Auch eine Ausweitung auf andere Hochschulen und Universitäten ist denkbar.

Giordano: Um die Studierenden für die Anforderungen des Marktes zu sensibilisieren und für ausgewählte Themen rund um den Berufseinstieg zu interessieren, etablieren wir eigene Social-Media-Kanäle. Als eine schiere Mammut-Aufgabe erweist sich, gemeinsame IT-Lösungen zu finden und einen gemeinsamen Auftritt zu kreieren mit dem dazugehörigen Corporate Design. Auch die Etablierung von Arbeitsabläufen und Abstimmungen verlangt viel Zeit und kreative Lösungen. Deshalb empfehlen wir, einen langen Vorlauf für einen Einstieg in einen International Career Service einzuplanen.

Quelle: Studioline Photography

Autorin: Jessica Schüller, DAAD

Jessica Schüller ist beim DAAD als Referentin in der Campus-Initiative für internationale Fachkräfte tätig. Sie betreut das Forschungs- und Studienportfolio der Campus-Initiative und ist für den Politik- und Stakeholderdialog zuständig.

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