„Sprachkompetenzen erklären ungefähr ein Fünftel der Studienleistungen“
Die neue Ausgabe von „DAAD Forschung kompakt“ fasst zentrale Befunde des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Forschungsprojekts „Sprache und Studienerfolg bei Bildungsausländerinnen und Bildungsausländern“ (SpraStu) zusammen. Im Interview erläutern Katrin Wisniewski, Projektleiterin und Professorin an der Universität Bamberg und Jupp Möhring, Projektkoordinator und Dozent an der TU Dresden, was der Anlass für das Forschungsprojekt war, wie sie bei der Untersuchung des Zusammenhangs von Sprachkompetenzen und Studienerfolg genau vorgegangen sind und welche Konsequenzen für die Hochschulpraxis sich ihrer Einschätzung nach aus den Befunden des Projekts ergeben.
Frau Wisniewski, könnten Sie uns zunächst einmal kurz den Anlass und die Methodik Ihres Forschungsprojekt erläutern? Wen haben Sie hierfür genau befragt und wie haben Sie die Sprachkompetenzen der Befragten erhoben?
Wisniewski: In unserem Projekt wollten wir genauer erkunden, inwiefern sprachliche Kompetenzen internationaler Studierender zum Studienerfolg beitragen können. Es ist ja bekannt, dass die Abbruchquoten internationaler Studierender vor allem im Bachelorstudium viel höher liegen als die entsprechenden Quoten deutscher Studierender. Dafür werden immer wieder eventuell fehlende Sprachkompetenzen verantwortlich gemacht. Ob dieser Zusammenhang aber wirklich existiert und wie stark er ausgeprägt ist, war bislang noch nicht erforscht worden.
Wir haben im SpraStu-Projekt mit 340 internationalen BA-Studierenden der Universitäten Würzburg und Leipzig gearbeitet. Alle studierten in deutschsprachigen Studiengängen, niemand von ihnen sprach Deutsch als Erstsprache. Bei einigen Analysen wurden auch die Angaben von 190 deutschen Studierenden mit deutscher Erstsprache als Vergleichsgruppe einbezogen. Die internationalen Teilnehmenden sind in ihrem ersten Fachsemester ins Projekt eingestiegen. Sie haben sechs verschiedene Sprachtests abgelegt und diese im jährlichen Rhythmus wiederholt. Außerdem haben wir die Teilnehmenden semesterweise danach befragt, wie sie in ihrem Studium zurechtkommen. Zudem haben wir ihre Studienleistungen erhoben. Darüber hinaus gab es eine ganze Reihe eher linguistischer Untersuchungen, die uns als Vertreterinnen und Vertreter des Fachs Deutsch als Fremdsprache besonders interessieren. Das ist in unserem Buch zum SpraStu-Projekt genauer beschrieben. Auch auf der Projekt-Website findet man dazu mehr Informationen.
Was sind die wichtigsten Befunde des Projekts aus Sicht der Hochschulforschung?
Wisniewski: Zunächst einmal fiel auf, dass die Sprachkompetenzen der Teilnehmenden zu Studienstart sehr unterschiedlich waren, obwohl nahezu alle einen Hochschulzugangssprachtest, also beispielsweise einen TestDaF oder eine DSH, bestanden hatten, der mindestens ein hohes B2-Niveau zertifizierte. Viele Teilnehmende erreichten in unseren Sprachtests teils oder nie das Niveau B2. Unsere Befunde legen hier die Vermutung nahe, dass die verschiedenen Hochschulzugangssprachtests, die internationale Studierende in der Regel vor dem Studium ablegen müssen, unterschiedlich durchlässig sind. Sehr große Unterschiede der Sprachkompetenz bestehen zudem bei internationalen Studienanfängerinnen und -anfängern aus unterschiedlichen Herkunftsregionen. Ein genauerer Blick zeigt aber, dass diese Unterschiede vor allem auf die Sprachlernwege zurückgehen. Einfach gesagt: Je länger der Deutschunterricht, desto höher die Sprachkompetenzen. Das klingt trivial, hat aber weitreichende Konsequenzen. Studierende aus Ländern, in denen es weniger Chancen gibt, schon früh, zum Beispiel auch in der Schule, Deutsch zu lernen, starten mit deutlich schwächeren Sprachkompetenzen ins Studium. Wir haben auch gesehen, dass sie diesen Rückstand im Studienverlauf kaum mehr aufholen.
Zudem konnten wir zeigen, dass, ganz grob gesagt, Sprachkompetenzen ungefähr ein Fünftel der Studienleistungen erklärten. Sprachlich fitte Studierende waren klar erfolgreicher im Studium; Sprache spielt also offenbar tatsächlich eine ursächliche Rolle für den Studienerfolg, und zwar zu Studienbeginn insbesondere das Lesen und der Wortschatz, aber auch das Hören. Weniger entscheidend war das Schreiben. Allerdings gibt es teils erhebliche fächergruppenbezogene Unterschiede bei der Aussagekraft einzelner sprachlicher Kompetenzen für den Studienerfolg.
Andere Faktoren, die sich in geringerem Maße als die sprachlichen Kompetenzen, aber dennoch als aussagekräftig für den Studienerfolg erwiesen, waren die Integration und die finanzielle Situation. Damit ist hier die subjektive Einschätzung gemeint, mit den verfügbaren finanziellen Ressourcen zurechtzukommen. Integration wurde verstanden als ein guter und umfangreicher Kontakt zu Kommilitoninnen und Kommilitonen sowie eine ausgeprägte akademische Integration.
Und was sind die wichtigsten Befunde aus Sicht der Studierenden und der Hochschulpraxis? Ergeben sich aus Ihrer Sicht hier auch konkrete Handlungsempfehlungen?
Möhring: Internationalen Studierenden und Studieninteressierten können wir auf Grundlage unserer Ergebnisse mit gutem Gewissen raten: Deutsch lernen lohnt sich für ein erfolgreiches Studium an einer deutschen Hochschule. Ein einzelner bestandener Sprachtest, etwa für die Hochschulzulassung, kann dabei nur einen unvollständigen Eindruck liefern, vielmehr sollte man seine eigenen sprachlichen Stärken und Schwächen kennenlernen und sich auf die Anforderungen im eigenen Fach einstellen.
Dafür braucht es natürlich maßgeschneiderte sprachliche Unterstützung, und zwar sowohl in der Studienvorbereitung als auch studienbegleitend, oder sagen wir besser: studienintegriert. Eine solche Förderung sollte natürlich nicht nur irgendwie angeboten werden, sondern muss bedarfsorientiert und effektiv sein. Wir haben uns im Projekt beispielsweise Vorlesungen aus Medizin und BWL genauer angesehen, da gibt es schon ganz unterschiedliche sprachliche Phänomene, die für Studierende schwierig sein könnten. Hier gibt es keine „one size fits all“-Lösung, und es muss einen ständigen Austausch zwischen allen Beteiligten geben, um die dynamischen Entwicklungen an den deutschen Hochschulen auch in der sprachlichen Vorbereitung und Förderung im Studium angemessen zu berücksichtigen.
Nützlich wäre sicher auch, sprachliche Faktoren stärker in bereits etablierte Systeme zum Studiendatenmonitoring und Risikomanagement einzubinden oder studienbegleitend kleinere Sprachtests oder auch Self-Assessments anzubieten, auf deren Grundlage dann gezielt Angebote unterbreitet und natürlich auch wahrgenommen werden sollten.
Angesichts der weiter steigenden Zahl internationaler Studierender an deutschen Hochschulen wäre es kontraproduktiv, an der notwendigen Unterstützung bei der Entwicklung der Sprachkompetenz sowie der sozialen und akademischen Integration zu sparen – stellen doch erfolgreiche internationale Studierende durchaus ein wichtiges Fachkräftepotenzial für die Wirtschaft in Deutschland dar.
Zur Person
Katrin Wisniewski ist Professorin für Deutsche Sprachwissenschaft und Deutsch als Fremdsprache an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Ihre Forschungsschwerpunkte sind vor allem methodische Aspekte der Diagnostik fremd- und zweitsprachlicher Kompetenzen sowie der Erwerb des Deutschen. Sie arbeitet mit korpuslinguistischen Methoden, nicht nur bei den Korpora DISKO und MIKO, die in SpraStu erstellt wurden, sondern auch schon im MERLIN-Projekt und aktuell im Forschungsprojekt DAKODA.
Jan Kercher ist seit 2013 beim DAAD tätig und Projektleiter für die jährliche Publikation Wissenschaft weltoffen. Darüber hinaus ist er im DAAD für verschiedene andere Projekte zum Austausch zwischen Hochschulforschung und Hochschulpraxis sowie die Durchführung von Studien- und Datenerhebungsprojekten zur akademischen Mobilität und Internationalisierung der Hochschulen zuständig.