Drei Viertel der internationalen Master-Studienanfänger/innen haben einen ausländischen Bachelorabschluss
Die Zahl der internationalen Masterstudierenden in Deutschland steigt von Jahr zu Jahr. Keine Studienform verzeichnet solch eine starke Zunahme internationalen Studieninteresses. Dr. Ulrich Heublein, Projektleiter am Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) unter-sucht in seinem Beitrag die Gründe für diese Entwicklung. Ihr können sowohl steigende Jahrgangs-stärken internationaler Bachelorabsolvent/innen in Deutschland als auch eine Zunahme entsprechender Studienbewerbungen aus dem Ausland zugrunde liegen. Die Daten werden dabei für einzelne Fächergruppen und Herkunftsregionen analysiert.
Das Interesse internationaler Studierender an einem Masterstudium in Deutschland wächst seit Jahren. So ist die Zahl der internationalen Studienanfänger/innen in einem Masterstudiengang an deutschen Hochschulen seit 2016 um 46% gestiegen. Im Jahr 2021 haben 51.900 internationale Studierende ein Masterstudium neu aufgenommen, 2016 lag deren Zahl noch bei 35.600. Angesichts dieser dynamischen Entwicklung stellt sich die Frage, wie es zu dieser Steigerung der Studierendenzahlen kommt. Resultiert sie aus einer wachsenden Zahl internationaler Bachelorabsolvent/innen an deutschen Hochschulen und deren Übergang ins Masterstudium? Oder ist der Zuwachs das Ergebnis einer verstärkten Rekrutierung von Bachelorabsolvent/innen aus anderen Ländern?
Im Jahr 2021 hat mit einem Anteil von 74,8% die große Mehrzahl der internationalen Studienanfänger/innen in einem deutschen Masterstudium ihren Bachelorabschluss an einer Hochschule im Ausland erworben. Lediglich 25,2% schlossen ihr Bachelorstudium an einer deutschen Hochschule ab. Das betrifft rund 13.100 internationale Master-Studienanfänger/innen. Diese Anteile sind dabei in den letzten Jahren relativ stabil, so kamen schon 2016 insgesamt 76,8% der entsprechenden Studienanfänger/innen aus dem Ausland, 2018 waren es 75,5%. Nur im ersten Coronajahr 2020 fiel diese Quote mit 72,8% etwas niedriger aus. Das relativ konstante Verhältnis zwischen Studienanfänger/innen mit ausländischem und mit deutschem Bachelorabschluss weist darauf hin, dass den steigenden Zahlen an internationalen Studienanfänger/innen sowohl mehr Bachelorabsolvent/innen aus Deutschland als auch aus dem Ausland zugrunde liegen, wobei allerdings die direkte Zuwanderung eine deutlich größere Rolle spielt als die Zuwanderung aus einem vorherigen Bachelorstudium in Deutschland.
Beachtenswert ist dabei Folgendes: Auch wenn die Zahl der internationalen Master-Studienanfänger/innen mit deutschem Bachelorabschluss zunächst gering erscheint, so wird damit doch das bestehende Potential an internationalen Bachelorabsolvent/innen eines Jahrgangs an deutschen Hochschulen weitgehend ausgeschöpft. Mit Blick auf den Master-Studienanfängerjahrgang 2021 haben 2020 insgesamt rund 13.600 internationale Studierende ein Bachelorstudium in Deutschland erfolgreich abgeschlossen, 2019 waren es 13.400 und 2021 rund 15.600. Diese Jahrgangs-Zahlen internationaler Bachelorabsolvent/innen in Deutschland korrespondieren mit dem Wert von 13.100 internationalen Master-Studienanfänger/innen im Jahr 2021, die in Deutschland ihren Bachelorabschluss erworben haben. Natürlich handelt es sich bei solch einem Zahlenvergleich um eine grobe Schätzung. Es ist nicht davon auszugehen, dass alle Bachelorabsolvent/innen nach Studienabschluss im gleichen bzw. darauffolgenden Jahr in ein Masterstudium übergehen (obwohl dies bei internationalen Absolvent/innen aus aufenthaltsrechtlichen Gründen häufiger als bei deutschen Studierenden der Fall sein dürfte.) Da aber solche miteinander korrespondierende Bachelorabsolventen- und Masterstudienanfänger-Zahlen schon seit vielen Jahren bestehen, ist zu vermuten, dass in der Tat der größte Teil der internationalen Bachelorabsolvent/innen in Deutschland auch ein Masterstudium an einer deutschen Hochschule aufnimmt. Valide Übergangsquoten werden dazu vom Statistischen Bundesamt hoffentlich bald auf Basis der im Aufbau befindlichen Studienverlaufsstatistik zu ermitteln sein.
In Bezug auf die Anteile internationaler Studienanfänger/innen in Masterstudiengängen, die ihren Bachelorabschluss im Ausland bzw. in Deutschland erworben haben, gibt es zwischen den verschiedenen Fächergruppen deutliche Unterschiede. Überdurchschnittliche Anteile internationaler Bachelorabsolvent/innen aus dem Ausland weisen dabei vor allem die Masterstudiengänge in Agrar-, Forst- und Ernährungswissenschaften, Veterinärmedizin (92,4%) sowie in Mathematik und Naturwissenschaften (79,5%) auf. Unterdurchschnittliche Werte sind dagegen in Kunst und Kunstwissenschaften (60,2%) sowie Ingenieurwissenschaften (71,3%) festzustellen. Bei der Mehrzahl der Fächergruppen korrespondieren zudem die Zahlen der internationalen Studienanfänger/innen im Masterstudium mit deutschem Bachelorabschluss mit den entsprechenden Werten der internationalen Bachelorabsolvent/innen in Deutschland. Nur in Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften kommt es zu einer größeren Abweichung. In dieser Fächergruppe mit einer Zuwanderungsquote ausländischer Bachelorabsolvent/innen ins Masterstudium von 78,5% im Jahr 2021, wurden insgesamt rund 3.100 internationale Bachelorabsolvent/innen mit deutschem Abschluss in einen Masterstudiengang immatrikuliert, die jährliche Zahl der internationalen Bachelorabsolvent/innen mit deutschem Abschluss lag in den relevanten Zeiträumen aber zwischen rund 4.500 und 4.900. Das lässt vermuten, dass ein vergleichsweiser großer Teil der Bachelorabsolvent/innen kein Masterstudium in dieser Fachrichtung in Deutschland aufgenommen hat.
Noch deutlichere Differenzen hinsichtlich der Anteile internationaler Bachelorabsolvent/innen mit ausländischem Bachelorabschluss zeigen sich auf der Ebene der Studienbereiche. Sehr hohe Werte finden sich in den Studiengängen der Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften allgemein (99,8%), der Forstwissenschaften und Holzwirtschaft (98,1%), der Agrarwissenschaften, Lebensmittel- und Getränketechnologie (95,7%) sowie des Vermessungswesens (91,1%). Vergleichsweise niedrige Anteile internationaler Master-Studienanfänger/innen mit ausländischem Bachelorabschluss weisen demgegenüber die Studienbereiche Bibliothekswesen und Dokumentation (40,9%), Musik und Musikwissenschaften (51,8%) sowie Psychologie (53,2%), aber auch Maschinenbau und Verfahrenstechnik (59,2%) auf. Für den Studienbereich Maschinenbau und Verfahrenstechnik kommt noch hinzu, dass die Zahl der internationalen Bachelorabsolvent/innen an deutschen Hochschulen fast drei Mal höher ausfällt als die Zahl der internationalen Master-Studienanfänger/innen mit deutschem Hochschulabschluss. Die Ursachen für diese Differenzen zwischen den Fächergruppen und Studienbereichen bedürfen noch einer näheren Analyse. Neben unterschiedlichen Übergangsquoten in den Arbeitsmarkt direkt nach Abschluss des Bachelorstudiums könnten dafür u. a. auch das Studienplatzangebot im Masterstudium, die Zahl englischsprachiger Studiengänge sowie die unterschiedliche internationale Attraktivität der verschiedenen Studiengänge von Relevanz sein.
Die Anteile internationaler Studienanfänger/innen im Masterstudium mit ausländischem Bachelorabschluss differieren aber auch zwischen den einzelnen Herkunftsregionen. Überdurchschnittliche Werte sind für Nordamerika (89,5%), Asien und Pazifik (78,5%) sowie Lateinamerika (77,7%) zu konstatieren, eher unterdurchschnittliche dagegen für Mittel- und Südosteuropa (68,5%) sowie Osteuropa und Zentralasien (69,5%). Der Wert für Westeuropa (72,4%) liegt zwar im Durchschnitt, aber es ist die einzige Herkunftsregion, bei der die Zahl der internationalen Bachelorabsolvent/innen in Deutschland doppelt so hoch ausfällt wie die der internationalen Studienanfänger/innen in einem deutschen Masterstudium. Unter den einzelnen Herkunftsländern ist noch eine weitaus größere Spannweite zu konstatieren. Mit Blick auf die wichtigsten Herkunftsländer lässt sich eine hohe Rekrutierungsquote internationaler Bachelorabsolvent/innen aus dem Ausland für Indien (93,8%), die USA (89,5%), Pakistan (87,8%), Bangladesch (86,6%) und Italien (84,2%) konstatieren. Vergleichsweise niedrig fällt dieser Anteil z. B. für Syrien (43,6%) und China (57,3%) aus.
Quelle: DZHW
Autor: Dr. Ulrich Heublein, DZHW
Ulrich Heublein ist seit 1991 am DZHW tätig und Projektleiter in der Abteilung "Bildungsverläufe und Beschäftigung". Seine Forschungsinteressen gelten den Bedingungen erfolgreichen Studierens, den Ursachen des Studienabbruchs sowie der Internationalisierung von Studium und Forschung. Er hat Germanistik und Publizistik an der Universität Leipzig studiert und 1986 in Germanistik promoviert.