„Internationale Studierende brauchen frühzeitig Informationen, wie sie sich auf den Arbeitsmarkt in Deutschland vorbereiten können“
Die neue Ausgabe von „DAAD Forschung kompakt“ gibt einen Überblick über die aktuellen Strukturen und strategischen Handlungsperspektiven der International Career Services an deutschen Hochschulen. Im Interview erläutert Verfasserin Jessica Schueller von der US-amerikanischen Miami University in Ohio, welche spezifischen Anforderungen International Career Services erfüllen müssen, welche Konzepte sich hier unterscheiden lassen und was die zentralen Herausforderungen bei der Einrichtung solcher Services für internationale Studierende sind. (Das Interview wurde aus dem Englischen übersetzt.)
Frau Schueller, Career Services sind an deutschen Hochschulen weit verbreitet, sie richten sich jedoch in erster Linie an deutsche Studierende. Welche spezifischen Anforderungen müssten Career Services erfüllen, um auch internationale Studierende beim Übergang in den deutschen Arbeitsmarkt unterstützen zu können?
Forschungsergebnisse zeigen, dass internationale Studierende mit anderen Herausforderungen konfrontiert sind als ihre deutschen Kommilitonen und daher spezielle Unterstützungsangebote benötigen, die auf diese besonderen Bedürfnisse eingehen. Internationale Studierende brauchen einen frühzeitigen Zugang zu Informationen, wie sie sich auf den Arbeitsmarkt in Deutschland vorbereiten können, einschließlich eines transparenten Einblicks in mögliche sprachliche und kulturelle Barrieren. Darüber hinaus benötigen internationale Studierende ein gewisses Maß an individueller Betreuung, was einen höheren Zeitaufwand für die Mitarbeitenden der Career Services bedeutet. Um diese Herausforderungen zu bewältigen und internationale Studierende angemessen zu unterstützen, müssen Career Services mindestens in englischer Sprache angeboten werden und fünf Hauptelemente der Unterstützung abdecken: Arbeitsmarkt, Networking, Bewerbungen, Fähigkeiten und Berufserfahrung sowie Kultur. Diese fünf Elemente führen die Studierenden durch den Prozess des Kennenlernens des Arbeitsmarktes in Deutschland im Allgemeinen und in ihrem Fachgebiet im Besonderen, die Bedeutung von Netzwerken für die Stellensuche und den beruflichen Aufstieg, die Funktionsweise von Bewerbungen und Vorstellungsgesprächen, die Rolle praktischer Erfahrungen und Fähigkeiten während des Studiums und die zentrale Bedeutung von Sprache und Kultur sowohl am Arbeitsplatz als auch außerhalb. Wenn diese fünf Elemente bei der Entwicklung von International Career Services berücksichtigt werden, bietet ein progressiver Entwicklungszyklus Struktur und Klarheit für den Prozess der Jobsuche.
Veranstaltungshinweis
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Sie beschäftigen sich schon länger mit diesem Thema und haben deshalb einen guten Überblick über die aktuelle Situation in Deutschland: Wie verbreitet sind International Career Services an deutschen Hochschulen denn bislang? Und welche Konzepte lassen sich hier unterscheiden?
Es ist schwierig, das Ausmaß, in dem deutsche Universitäten International Career Services – kurz: ICS – anbieten, genau zu beziffern, insbesondere aufgrund von Definitionsunterschieden und der hohen Fluktuation bei den ICS. Meine Untersuchung ergab jedoch, dass etwa 20 Prozent der deutschen Universitäten irgendeine Form von ICS anbieten. Wenn ich hier von “irgendeiner Form” spreche, ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass sich die ICS je nach Hochschule und demografischer Zusammensetzung der Studierenden stark voneinander unterscheiden. Insbesondere können die Ziele des ICS von vorübergehend, zum Beispiel als Mittel zur Integration von Flüchtlingen, bis hin zu dauerhaft, als Mittel zur Sicherstellung der Unterstützung einer konstanten Zahl von internationalen Studierenden pro Jahr, reichen. Nach der Identifikation der verschiedenen Modelle habe ich einen konzeptionellen Rahmen für ICS entwickelt, der gemeinsame und unabhängige Strukturen unterscheidet. Diese Strukturen lassen sich weiter differenzieren, über den Ort des ICS innerhalb der Einrichtung und über die zeitliche Begrenzung der Finanzierung.
Zum Abschluss noch eine praktische Frage: Was sind aus Ihrer Sicht die zentralen Herausforderungen bei der Einrichtung von International Career Services? Und: Welche Hochschulen brauchen aus Ihrer Sicht überhaupt ein ICS und welche vielleicht auch nicht?
Um den erfolgreichen Übergang internationaler Studierender von der Hochschule in den Beruf zu unterstützen, zu fördern und zu erleichtern, benötigen die Career Services an deutschen Hochschulen in erster Linie eine einrichtungsweite Unterstützung. Dies erfordert das Engagement der Hochschulleitung, die Career Services als zentrale Servicestruktur innerhalb der Hochschule zu etablieren, sowohl strategisch als auch finanziell. Darüber hinaus sollte die Verbindung zwischen Lehrplan und Karriere von der Hochschulleitung strategisch vorangetrieben werden, um die Interessen von Lehrkräften, Verwaltungsangestellten und lokalen Arbeitsmarktakteuren zusammenzuführen und in Einklang zu bringen. Nur mit einer soliden institutionellen Unterstützung können die Career Services Mitarbeitende ausbilden und einstellen, die sich speziell auf internationale Studierende konzentrieren können. Die meisten Fachleute in den Career Services sehen die besonderen Bedürfnisse internationaler Studierender in ihrer täglichen Arbeit, und es muss mehr getan werden, um die chronische Unterbesetzung der Career Services an deutschen Hochschulen zu bekämpfen. Sowohl internationale als auch deutsche Studierende würden davon profitieren, wenn die Career Services an deutschen Hochschulen stärker in den Mittelpunkt rücken würden.
Abschließend ist es wichtig zu erwähnen, dass nicht jede Hochschule unbedingt ein ICS benötigt. Die Hochschullandschaft in Deutschland ist so vielfältig wie ihre Studierendenschaft, und einige Hochschulen ziehen mehr internationale Studierende an als andere. Selbst unter den Hochschulen, die viele internationale Studierende anziehen, gibt es einige mit einem hohen Anteil deutschsprachiger internationaler Studierender, die nicht unbedingt ein vollständig getrenntes ICS benötigen. In diesen Fällen könnten kulturell relevante und integrative Anpassungen des deutschsprachigen Karriereprogramms vorgenommen werden, um sicherzustellen, dass es auch den Bedürfnissen internationaler Studierender gerecht wird. Im Allgemeinen gibt es jedoch zwei Haupttypen von Hochschulen, die häufig ICS benötigen. Zum Einen sollten Hochschulen mit einer kontinuierlich hohen Zahl an internationalen Studierenden, entweder in der gesamten Hochschule oder in bestimmten Studiengängen, eine Form von ICS in Betracht ziehen, um den Bedürfnissen der Studierenden gerecht zu werden. Außerdem müssen Hochschulen, die einen akuten Anstieg der Zahl internationaler Studierender, insbesondere von Flüchtlingen, verzeichnen, möglicherweise für einen begrenzten Zeitraum ICS-Strukturen einrichten, um sicherzustellen, dass die Studierenden die erforderliche Unterstützung erhalten. Während einige Hochschulen keine oder nur wenige internationale Studierende aufnehmen und daher naturgemäß kein ICS benötigen, müssen sich andere Hochschulen zwischen zeitlich begrenzten Lösungen und dauerhaften Strukturen entscheiden. In diesen Fällen sollten sich die Hochschulen in der unmittelbaren Region oder im Bundesland erkundigen, ob eine Zusammenarbeit zwischen mehreren Hochschulen eine sinnvolle Option wäre. Durch den Zusammenschluss mehrerer Hochschulen kann ein regionales ICS die Arbeitsbelastung des Personals, die Verantwortung der Hochschule und den Zugang der Studierenden zu den Aktivitäten des ICS verteilen.
Zur Person
Jessica Schueller ist Doktorandin an der Miami University in Ohio, USA. Ihre Forschungs- und Arbeitsschwerpunkte sind transnationale Hochschulbildung und die Internationalisierung von Career Services.
Jan Kercher ist seit 2013 beim DAAD tätig und Projektleiter für die jährliche Publikation Wissenschaft weltoffen. Darüber hinaus ist er im DAAD für verschiedene andere Projekte zum Austausch zwischen Hochschulforschung und Hochschulpraxis sowie die Durchführung von Studien- und Datenerhebungsprojekten zur akademischen Mobilität und Internationalisierung der Hochschulen zuständig.