„Deutschland ist eines der vertrauenswürdigsten Länder innerhalb der G20“
Seit über einem Jahrzehnt führt der British Council alle zwei Jahre das sog. Global Perceptions Survey durch, eine weltweite Befragung von jungen Menschen im studierfähigen Alter. Befragt werden diese nicht nur zu ihrem Bild des Vereinigten Königreichs, sondern auch zu ihrem Bild von vielen anderen Ländern, u.a. auch von Deutschland. Anlässlich des diesjährigen Surveys erläutert Alistair MacDonald, Senior Policy Analyst und Projektverantwortlicher beim British Council, welche Zielsetzung und Methodik dem Umfrageprojekt zugrunde liegen, was die zentralen Ergebnisse der letzten Erhebung waren, welche Erwartungen er bezüglich der Befragung in diesem Jahr hat und wie sich die Bewertungen Deutschlands in den letzten beiden Erhebungsrunden entwickelt haben. (Das Interview wurde aus dem Englischen übersetzt.)
Der British Council führt das Global Perceptions Survey nun schon seit einigen Jahren regelmäßig durch. Können Sie kurz erläutern, wie es dazu kam und wie Ihre Methodik aussieht?
Die Umfrage hat ihren Ursprung in dem Ziel, das Bewusstsein für die Arbeit des British Council im Vereinigten Königreich zu erhöhen. Vor diesem Hintergrund können die bisherigen Ergebnisse bestenfalls als gemischt angesehen werden, da wir im Ausland immer noch viel bekannter sind als im Inland. Wir haben die Umfrage damals fortgesetzt, um besser zu verstehen, was die Führungskräfte von morgen über die Welt denken. Methodisch führen wir eine Online-Umfrage unter studierfähigen Menschen im Alter von 18 bis 34 Jahren mit einer gewichteten, repräsentativen Stichprobe von 1.000 Personen in jedem der G20-Mitgliedstaaten durch.
Ursprünglich konzentrierten wir uns in der Umfrage auf die Wahrnehmung des Vereinigten Königreichs und stellten auch Fragen dazu, was die Menschen in der ganzen Welt über die Britinnen und Briten denken. In einer der ersten Umfragen aus dem Jahr 2014 meinten die Befragten aus Deutschland, dass wir zu viel Alkohol trinken, schlechte Essgewohnheiten haben und andere Kulturen ignorieren. Und das ist nach wie vor eine zutreffende Einschätzung!
Im Laufe der Zeit hat sich die Umfrage dahingehend weiterentwickelt, dass sie nicht mehr nur das Vereinigte Königreich, sondern auch die Meinung von Menschen aus anderen Ländern untersucht. Dies ermöglicht Vergleiche, wie z. B. das relative Vertrauen der Brasilianer in die Regierungen Deutschlands und Frankreichs – die deutsche Regierung genoss in der letzten Umfrage mehr Vertrauen als die französische – und die Frage, an welchen Zielländern junge Menschen aus China für einen Urlaub, ein Studium oder eine Geschäftstätigkeit Interesse haben. Die Kriterien, die wir abfragen, haben sich auch dahingehend entwickelt, dass sie die Werte der Menschen einbeziehen, ihren Blick auf die Gesellschaften anderer Länder – Sind sie demokratisch? Gibt es dort eine freie Presse? – und ihre Einstellungen zu Globalisierung und Nationalismus.
Diese Wahrnehmungen sind wichtig, da sie das Verhalten der Menschen und ihre Entscheidungen beeinflussen: Wird es die TU Berlin oder das MIT sein? Auch wenn eine einzelne Person, die diese sehr persönliche Entscheidung trifft, nicht allzu bedeutsam erscheinen mag: Wenn Hunderte, Tausende oder noch mehr diese Entscheidung treffen, dann hat das Auswirkungen, und zwar nicht nur auf die Gastuniversität, sondern auch auf das gesamte Gastland.
Faszinierend ist, dass bei der Analyse der Daten deutlich wird, dass nicht nur die Qualität des Bildungsangebots selbst für die Entscheidung ausschlaggebend ist, sondern auch die wahrgenommene Lebensqualität. Eine ganze Reihe internationaler Studierender wird die Universität Liverpool zum Beispiel wegen des FC Liverpools gewählt haben.
Die letzte Umfrage wurde im Frühjahr 2023 durchgeführt, bald wird die Umfrage 2025 starten. Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Ergebnisse der Umfrage 2023 und welche Veränderungen oder Entwicklungen erwarten Sie für die Umfrage 2025?
Das wichtigste Ergebnis der Umfrage von 2023 war die Auswirkung der russischen Vollinvasion in der Ukraine auf die Wahrnehmung des Landes. Die Einstellung gegenüber Russland war in den G7-Staaten, insbesondere in Deutschland und dem Vereinigten Königreich, bereits davor recht negativ, aber in Lateinamerika, Afrika und Teilen Asiens hatte Russland in den Umfragen zuvor ein hohes Maß an Vertrauen und auch bei anderen Werten erreicht. Dies änderte sich nach der Vollinvasion. In Mexiko zum Beispiel unterschieden sich die Werte für das Vertrauen in die Regierung für das Vereinigte Königreich und Russland im Jahr 2021 nur um zwei Punkte, aber in der Umfrage von 2023 fiel der Wert für Russland um 17 Punkte. Ähnliches gilt für einen Großteil der G20-Staaten, allerdings mit ein paar bemerkenswerten Ausnahmen: In China stiegen die Bewertungen für Russland in mehreren Bereichen. Auch die Befunde für Indien, Indonesien und Saudi-Arabien widersprachen dem allgemeinen Trend. Es wird spannend sein zu sehen, wie sich die Wahrnehmung Russlands seitdem entwickelt hat.
Das größte Thema werden jedoch wahrscheinlich die Auswirkungen einer zweiten Trump-Präsidentschaft sein. In der Umfrage von 2018 brach die Wahrnehmung der US-Regierung ein, was dazu führte, dass keiner anderen Regierung der G20-Staaten mehr misstraut wurde. Unter Präsident Biden stiegen die Werte dann wieder an, so dass es sehr interessant sein wird, zu beobachten, was dieses Mal passiert.
Einige Kommentatoren, zumindest im Vereinigten Königreich, sprechen von der zweiten Trump-Präsidentschaft als Anzeichen für einen breiteren Rechtsruck, was sich mit den zunehmenden nationalistischen Stimmungen deckt, die wir in mehreren G20-Mitgliedsstaaten, darunter auch Deutschland, beobachten. Wie sich das auswirkt, ist wahrscheinlich die wichtigste Entwicklung, die wir in der Umfrage für 2025 im Auge behalten müssen, und nicht die Auswirkungen eines einzelnen Regierungschefs oder Ereignisses.
Als britische Organisation liegt der Schwerpunkt Ihrer Analysen natürlich auf den Ergebnissen für das Vereinigte Königreich. Können Sie dennoch für unsere deutsche Leserschaft etwas zu den Ergebnissen in Bezug auf Deutschland sagen? Wie haben sich diese Ihrer Meinung nach zwischen den Umfragen 2021 und 2023 entwickelt?
Ich finde die Ergebnisse aus Deutschland besonders interessant. Ein paar habe ich bereits hervorgehoben. Ein Thema, das sowohl für das deutsche als auch für das britische Publikum von Bedeutung ist, sind die Auswirkungen des Brexits. Der Brexit hat den britischen Entscheidungsträgern sicherlich Sorgen bereitet. Dennoch war die britische Regierung im Jahr 2023 unter allen G20-Ländern das Land, der die deutschen Befragten am meisten vertrauten. Das mag überraschen, wenn man bedenkt, dass wir zu diesem Zeitpunkt bereits den fünften Premierminister seit der Abstimmung von 2016 hatten!
Aber Ihre Leserschaft ist vielleicht mehr daran interessiert, wie die Welt Deutschland wahrnimmt, als daran, wie Deutschland die Welt sieht. Deutschland wird als verantwortungsvoller internationaler Akteur gesehen, der konstruktiv mit den Regierungen anderer Länder an globalen Herausforderungen arbeitet und eine „Kraft für das Gute in der Welt“ ist. Neben Kanada, Japan und dem Vereinigten Königreich ist Deutschland eines der vertrauenswürdigsten Länder innerhalb der G20.
Ich habe bereits die Indikatoren zum Thema Nationalismus angesprochen. Eine Sache, die in der Umfrage von 2023 wirklich auffiel, war, wie die Mitte in Deutschland schrumpft. Es scheint eine zunehmende Polarisierung der Meinungen unter jungen Menschen zu geben, zwischen denen, die das nationale Interesse in den Vordergrund stellen, und denen, die die internationale Zusammenarbeit betonen. Es wird spannend sein zu sehen, welche Entwicklung sich hier in den letzten zwei Jahren vollzogen hat.
Zudem möchte ich noch darauf hinweisen, dass wir die Frage aus dem Jahr 2014 wieder aufgreifen, wegen der die Briten damals als betrunkener, Junk-Food-essender und ignoranter Haufen beschrieben wurden, erweitern sie aber um die Wahrnehmung Deutschlands und anderer Länder. Ihre Leserinnen und Leser dürfen also gespannt sein, was junge Menschen weltweit wohl über die Deutschen zu sagen haben.
Zur Person
Alistair MacDonald ist Senior Policy Analyst beim British Council. Er gibt Forschungsprojekte und Umfragen in Auftrag und schreibt über Soft Power. Ein Großteil seiner Arbeit konzentriert sich darauf, zu erklären, warum der Bildungs- und Kulturaustausch eine Priorität für Regierungen sein sollte und warum in einer zunehmend gespaltenen und umkämpften Welt kulturelle Beziehungen und Soft Power wichtiger denn je sind.
Jan Kercher ist seit 2013 beim DAAD tätig und Projektleiter für die jährliche Publikation Wissenschaft weltoffen. Darüber hinaus ist er im DAAD für verschiedene andere Projekte zum Austausch zwischen Hochschulforschung und Hochschulpraxis sowie die Durchführung von Studien- und Datenerhebungsprojekten zur akademischen Mobilität und Internationalisierung der Hochschulen zuständig.